Nachts sind alle Gedanken grau

Das könnte man zumindest meinen, wenn man in der Nacht aufwacht und sich in Grübelschleifen verfängt. Viele Frauen in den Wechseljahren leiden unter Schlafproblemen. Gerade, wenn das Durchschlafen schwer fällt, kennt man den Effekt. Statt entspannt im Bett zu liegen, gemütlich die Schäfchen zu zählen und darauf zu vertrauen, das sich der Schlaf schnell wieder einstellen wird, dreht sich das Gedankenkarussell. Die Sorgen sind größer, der Kummer tiefer und die Zuversicht scheint so tief zu schlafen, wie man es selbst gerne tun würde.

Wissen, das hilft

Der Griff zum Schlafmittel, zu Lavendelölen oder Melissentees scheint jetzt nahe zu liegen. Aber auch Wissen um die Geschehnisse in der Nacht kann helfen. Denn wer versteht, was im Körper passiert, kann gelassener reagieren und so den Schlaf doch wieder einladen. Denn nachts sind die Gedanken tatsächlich grau. Oder blau. Oder rot. Holly Golightly, die Hauptperson in Truman Capotes Buch „Frühstück bei Tiffany“ beschreibt den Unterschied zwischen der blauen Melancholie und dem roten Grausen, unter denen sie nachts leidet. Beide Emotionen lassen sich auf dieselbe Ursache zurückführen: Nachts denken wir anders.

Ohne Hirn und Verstand?

Schlafforscher wissen: die kognitive Leistungsfähigkeit gesunder Menschen gleicht in der Nacht der von Menschen, die sich zwei Bierchen gegönnt und 0,5 Promille Alkohol im Blut haben. Vermutlich legt sich genau der Teil unseres Gehirns, der plant, kontrolliert und rational entscheidet, mit uns zusammen schlafen. Nur leidet er nicht unter Beschwerden der Wechseljahre, die uns nicht ein- bzw. durchschlafen lassen. Er schläft einfach weiter und lässt uns ungebremst in die Grübelschleife, die blaue Melancholie, das rote Grausen fahren. Oder wissenschaftlich gesagt: die Amygdala, das „Angst- und -Emotionsareal“ im Gehirn, kann sich frei entfalten, weil keine rationale Beurteilung der Lage erfolgt.

Externes Zweithirn als Lagerplatz für Sorgen

Allein das Wissen darüber, dass nachts alles schlimmer erscheinen kann, als es ist, hilft vielen Menschen. Natürlich schläft man dennoch nicht gleich ein. Und wenn man seine Gedanken nicht unter Kontrolle halten kann, gerät man leicht wieder in die Grübelschleifen. Ein Mantra kann dabei helfen, z.B. der Satz „Ich beschäftige mich morgen mit diesen Gedanken“. Noch hilfreicher ist ein Tipp, der schon vielen Frauen geholfen hat: die Sorgen, Grübelgedanken und die Verzweiflung auf einem Lagerplatz abladen. Am einfachsten ist ein simpler Notizblock am Bett. Um kein Licht anmachen zu müssen (und so den Schlaf noch weiter wegzuscheuchen), kann man sich einen Kugelschreiber mit Leuchtfunktion kaufen. Dann das, was noch hartnäckig um eine weitere Runde im Grübelkarussell bettelt, auf den Lagerplatz scheuchen. Am besten kurze Sätze oder vielleicht nur Stichworte notieren: „Geld/Überweisung“ statt „Ich weiß nicht, ob ich genügend Geld für die fällige Kreditrate habe“. Oder „Herzrasen/Fakten“ statt „Ich glaube, mein Herz ist geschädigt – oder sind das auch die Wechseljahre?“. Wenn die kurzen Stichworte nicht helfen, kann man auch das Gegenteil probieren – aber bitte nur, wenn noch ein Rest des rationalen Denkens wach ist: So lange übertreiben, bis man selber lachen muss: „Meine Hitzewallungen werden bestimmt jeden Tag schlimmer. So lange, bis sich die letzte Generation an meiner Wohnungstür festklebt.“

Und jetzt schnell in den Schlaf huschen

Aufgeschrieben sind die Sorgen für eine kurze Zeit gebannt. Gerne darf man sich mit dem Mantra „Morgen schaue ich mir das genauer an“ beruhigen. Dann aber den Schlaf einladen. Je nach eigenen Vorlieben darf es noch der Sprühstoß Lavendel sein, der Schlaftee (ein guter Trick: Thermoskanne mit ans Bett nehmen) oder die Atemübung. Morgen ist auch noch ein Tag.