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Verändern wir uns, verändert sich auch das Selbstkonzept

Frau im Wechsel im Gespräch mit Britta Scholten

Selbstkonzept – was versteht man darunter?

Der Begriff „Selbstkonzept“ wird in der Psychologie verwendet, um alles zusammenzufassen, was wir über uns selbst denken. So, wie wir über andere Personen oder Gegenstände denken, können wir auch über uns selbst denken. Wir nutzen Wissen über uns selbst, unsere Erinnerungen, unseren Selbstwert oder auch Annahmen über unsere Eigenschaften und bilden daraus eine gedanliche Struktur, das Selbstkonzept.

Das heißt, wir denken über uns und daraus entwickelt sich ein Selbstkonzept?

Das ist eine Henne-Ei-Frage: Es gibt die Sicht, dass das Selbstkonzept unser Verhalten beeinflusst. Man muss also z.B. erst lernen, wie eine Unternehmerin zu denken, um sich selbstständig zu machen. Es gibt aber auch die SIcht, dass wir durch unsere Handlungen unser Selbstkonzept formen. Die Frau, die sich selbständig machen möchte, könnte also ein Bild, ein Selbstkonzept, von sich als Unternehmerin bilden, indem sie sich wie eine Unternehmerin verhält, also z.B. Preise kalkuliert, eine Webseite aufbaut, Geschäftskontakte knüpft.

Wie gehören Selbstkonzept und Wechseljahre zusammen?

Ich finde es irritierend, dass in der Selbstkonzeptforschung die Lebensmitte nicht besonders thematisiert wird. Es finden sich viel mehr Studien, die die Veränderungen des Selbstkonzepts in jungen Jahren oder im höheren Alter betrachten. Dabei gibt es gerade für Frauen in der Zeit der Lebensmitte sehr viele Veränderungen: Frauen müssen sich in dieser Zeit zumindest von dem Selbstkonzept „fruchtbare Frau“ verabschieden. Geschlechtsunabhängige Veränderungen wie Jobverlust, Krankheit oder Auszug der Kinder können weitere Herausforderungen darstellen, die eine Anpassung des Selbstkonzepts erfordern.

Kann man denn sein Selbstkonzept überhaupt anpassen? Oder ist das fix?

Das Selbstkonzept ist dynamisch, also fähig zu Veränderungen. Allerdings heißt das nicht, dass wir es auch ändern wollen. Wenn es uns gut geht, brauchen wir uns ja nicht zu ändern. Viele Menschen ändern die Sicht auf sich selbst erst dann, wenn der Leidensdruck zu groß wird. Es geht aber auch ohne Leidensdruck: wenn wir neugierig sind und Lust auf unbekannte Seiten von uns haben, können wir unser Selbstkonzept schnell ändern.

D.h. für die Frauen steht mit den Wechseljahren eine Änderung aufgrund des Leidensdrucks an?

Oder aufgrund der Neugierde auf das, was jetzt noch kommt. Ich kann es statistisch nicht belegen, aber es könnte sein, dass Frauen, die der Verlust des Selbstkonzepts „fruchtbare Frau“ sehr schmerzt, stärker mit Symptomenen der Wechseljahre zu tun haben als diejenigen, die diese Zeit eher als Aufbruchszeit in eine spannende zweite Lebenshälfte ansehen. Zumindest verursacht das Leiden mehr Stress und der verstärkt gerne gerade die psychischen Symptome wie Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen.

Was hat man denn überhaupt davon, wenn man sein Selbstkonzept verändert?

Vor allem weniger Frust aufgrund der Lücke zwischen meinem Selbstkonzept und der Realität. Nehmen wir die Tänzerin, die aufgrund von Knieproblemen nicht mehr auf der Bühne stehen kann. Sie kann jetzt auf ewig ihrer Zeit als professionelle Tänzerin hinterhertrauern und jeden Tag damit beginnen, dass sie ihre Knie verflucht. Oder sie passt ihr Selbstkonzept an, betrachtet sich jetzt als ehemalige Profi-Tänzerin und nutzt z.B. ihre Fähigkeit der Bühnenpräsenz für eine neue berufliche Karriere als Hochzeitsrednerin.

Und natürlich hilft ein verändertes Selbstkonzept auch bei der Umsetzung von Wünschen und Träumen, wie z.B. bei der Frau, die sich selbständig machen möchte.

Dann bleibt noch die Frage: Wie ändere ich mein Selbstkonzept?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aktiv an der Veränderung des Selbstkonzepts zu arbeiten. Ich betone das „aktiv“, weil es natürlich auch schleichende Veränderungen des Selbstkonzepts gibt. Aber gerade in den Wechseljahren kann es hilfreich sein, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, was gehen und was kommen darf.

Ein erster Punkt wäre z.B. die Arbeit an einem klaren Ziel – wie möchte ich die zweite Lebenshälfte gestalten, welche Vorbilder und Rollenmodelle habe ich, welche Menschen möchte ich um mich haben, mit welchen Themen will ich mich beschäftigen.

Bei Veränderungen ist es auch gut, regelmäßig darauf zu schauen, wie weit man schon gekommen ist. Möchte ich z.B. meine Ernährung umstellen, um besser durch die Wechseljahre zu kommen, kann mir ein Ernährungstagebuch Auskunft geben, wie konsequent ich dabei bin. Zusätzlich gibt es „harte Fakten“ wie Waage und Blutwerte. Bei anderen Veränderungen kann ich mir selbst Termine setzen, an denen ich reflektiere, wie gut ich vorankomme.

Bei den Wechseljahren geht es ja auch darum, bestimmte Punkte gehen zu lassen, wie z.B. die Fruchtbarkeit. Hier könnte ich z.B. ein Abschiedsritual durchführen.

Ein letzter Tipp wird im englischen Sprachraum als „Fake it until you make it“ bezeichnet. Ich tue so lange, als ob ich etwas könnte, bis ich es wirklich kann. Das ist das, was ich anhand der potentiellen Unternehmerin bereits beschrieben habe: ich verhalte mich so, wie sich jemand verhält, der so ist, wie ich sein möchte und überzeuge mich selbst so Schritt für Schritt, dass ich tatsächlich so bin. Auf diesem Weg empfiehlt es sich, einen guten Plan zu entwickelt – am besten in der Beratung.