Für diesen Beitrag stand uns Nikola Maria Hochkeppel, Wechseljahresberaterin und Sexualtherapeutin, beratend zur Seite.
Katja, 51, ist verzweifelt: „Ein Jahr lang lief bei uns überhaupt nichts. Ich konnte mich selbst nicht leiden, war abwechselnd wütend, traurig, antriebslos und hatte extreme Hitzewallungen. Sex war wirklich das letzte auf meiner Prioritäenliste.“ Nun hatte sich die Lage etwas entspannt. Anlass für ein entspanntes Wochenende in einem Spa-Hotel. „Tolles Hotel, tolles Essen, toller Sex. Und mein Andenken: eine fette Blasenentzündung. Jetzt sind sowohl ich als auch mein Mann traumatisiert. Gemeinsam geht nur noch Bingewatching, aber mit Sicherheitsabstand. Ich habe Angst, dass das jetzt für den Rest meines Lebens meine Abendgestaltung bleibt.“
Katja ist kein Einzelfall. Viele Frauen kennen die „Honeymoon-Zystitis“, eine Blasenentzündung, die gerne auftritt, wenn man sich im Urlaub die Nächte nicht im Club um die Ohren schlägt. Das klingt noch halbwegs lustig und ist auch gut in den Griff zu bekommen. Aber nach langer Sexpause in den Wechseljahren durch eine Blasentzündung zu einem nonnenhaften Leben verdammt zu sein, ist für die wenigsten Frauen ein schöner Gedanke.
Unromantisch, aber wichtig
Den wichtigsten Tipp, möglichst schnell nach dem Sex die Blase zu entleeren, um Bakterien auszuscheiden, befolgte Katja bereits. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie tatsächlich schon als junge Frau mit Blasenentzündungen zu tun gehabt hatte und daher auch das ganze Programm der Behandlungs- und Vorsorgemöglichkeiten wie Antibiotika, Sitzbäder, Nieren- und Blasentees, Senföle oder Mannose kannte. Sie hatte aber das Gefühl, dass es hier um mehr ging.
Bei Blasenentzündungen im Zusammenhang mit Sex geht es um zwei Fragen: Ist der Sex liebe- und lustvoll und wird von beiden genossen, so dass wir uns vorrangig um die Behandlung der körperlichen Symptome kümmern müssen? Oder stehen die körperlichen Beschwerden vielleicht in einer Verbindung zu Problemen des Paares? Diesen Unterschied im Gespräch mit der Klientin herauszuarbeiten, ist wichtig, um die passende Behandlung zu finden. Und behandeln muss man in so einer Situation schnell, denn wir wollen auf gar keinen Fall, dass Sex mit etwas Unangenehmen verknüpft wird und Vermeidungsstrategien entwickelt werden.
Durch den abfallenden Östrogenspiegel in den Wechseljahren und die damit verbundenen Veränderung der Schleimhäute treten Blasenentzündungen bei einigen Frauen häufiger auf. Katja wurde in der Beratung klar, dass sie noch intensiver als früher auf eine gute Vorsorge achten muss. Aber ihr wurde auch klar, dass es viel Unausgesprochenes zwischen ihr und ihrem Mann gibt. „Richtig spannend fand ich unseren Sex auch vor den Wechseljahren nicht mehr. Und je mehr sich mein Körper veränderte, desto mehr hatte ich Angst, dass ich nicht mehr attraktiv für ihn bin. Daher habe ich mehr Leidenschaft vorgespielt, als ich tatsächlich empfunden habe.“ Sie vermutet, dass auch ihr Mann Schwierigkeiten mit dem Alterungsprozess hat. Miteinander geredet haben sie aber nicht. Dafür halt Netflix geschaut.
Kommunikation als Aphrodisiakum
Katja entschloss sich dazu, ihrem Mann ein Gespräch mit einer Sexualtherapeutin vorzuschlagen. In einem solchen Gespräch kann es z.B. darum gehen, was die konkreten Ängste des Paars sind, welche Ursachen ihre Probleme haben können und wie man sie lösen kann. Eine gemeinsame Klärung ist sehr wichtig, so schafft man wieder Vertrauen und Nähe. Themen wie Krankheit, Alterungsprozesse und Befindlichkeitsstörungen können genaus besprochen werden, wie die Frage, wie der Sex aussieht, den sich beide wünschen. Vielleicht entdecken sie neben oder anstelle der Penetration Praktiken, die viel schöner sind, einfacher umzusetzen, lustvoller und weniger mechanisch vom Reiz her sind.