Wenn man das, was man sieht, nicht leiden kann, kann man eine von zwei Möglichkeiten wählen. Man kann die Augen schließen und ignorieren, was man sieht. Bensins Healthcare, die „Hormonspezialisten seit Generationen“ rufen dagegen zum Blickwechsel auf und starteten eine neue Initiative für berufstätige Frauen in den Wechseljahren. Sie wollen einen „offenen, wertschätzenden Dialog starten und Tabus brechen“. Im Juni fand eine Pressekonferenz als Startschuss der Initiative BlickWechsel statt.
Auf dem Podium versammelte sich eine illustre Runde von Expertinnen: Anke Sinnigen, Gründerin von Wexxeljahre.de, Bettina Billerbeck, Geschäftsführerin Beautiful Minds Media/Looping Group, Katja Burkard, Moderatorin und Autorin, Dr. med. Anneliese Schwenkhagen, Hormonspezialistin und Vorstandsmitglied der DMG (Deutsche Menopause Gesellschaft) und die gereizte Frau Miriam Stein, Autorin.
1.000 Frauen können nicht lügen
Jedenfalls nicht, wenn Forsa sie befragt. In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Initiative BlickWechsel wurden 1.000 Frauen zwischen 45 und 60 zum Thema „Wechseljahre im Beruf“ befragt. 85% von ihnen gaben an, dass sie belastende Symptome haben. Mit Hilfe von Miriams T-Shirt mit der Aufschrift „Wir sind 9 Millionen“ kann man das hochrechnen: 85% von 9 Millionen heißt: 7.650.000 Frauen haben im Job mit Symptomen der Wechseljahre zu tun. Kein Wunder, dass Miriam Stein sagte: „Es ist schlicht betriebs- und volkswirtschaftlich dumm, das Problem nicht zu erkennen.“
Die unbekannte Ursache
Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, gereizte Stimmung – diese und andere Symptome können viele Ursachen haben. Katja Burkard dachte an psychologische Probleme, als sie immer aggressiver wurde. Sogar einen Gehirntumor schloss sie nicht aus. Dass das kein Einzelfall ist, kennt Dr. med. Anneliese Schwenkhagen aus ihrer Praxis: „ Viele Frauen wissen gar nicht, dass ihre Probleme etwas mit den Wechseljahren zu tun haben.“ Noch immer gilt Gleichung: Wechseljahre = alt und nicht mehr sexy. Frauen schieben es häufig weit von sich: „Ich und Wechseljahre? Ich bin doch erst 50!“
Wenn man den Arzt lieber nicht fragen soll
Doch selbst, wenn eine Frau einen Zusammenhang zwischen ihren Symptomen und den Wechseljahren ahnt, ist sie damit nicht unbedingt schlauer. Woher bekommt sie Informationen? An wen soll sie sich wenden? Im Medizingrundstudium kommen die Wechseljahre bis heute nicht vor. Beim Hausarzt oder der Orthopädin finden Frauen daher selten kompetente Beratung. Aber selbst in der gynäkologischen Praxis muss das nicht besser sein. Dr. med. Anneliese Schwenkhagen gab einen schockierenden Einblick in die Ausbildung der Fachärzt:innen.:„In der klinischen Ausbildung lernt man Geburt und Operationen.“ Erst in der eigenen Praxis stolpern die Frauenärzt:innen über Beratungsthemen wie Verhütung oder eben Wechseljahre. Wie gut sie sich da einarbeiten, hängt von ihrer eigenen Motivation ab. Und bei manchen fehlt(e) die. Das führt dann zu „Beratungen“, die verunsichern, z.B. „Sie wollen Hormone nehmen? Ja, wollen Sie denn Brustkrebs bekommen?“
Wirtschaftsflaute durch die Wechseljahre?
Ein weiteres Resultat der Forsa-Studie: 33% der befragten Frauen wollen ihre Arbeitszeit oder -bedingungen ändern – bis hin zum Ausstieg. Eine Zahl, die in jeder Personalabteilung und bei allen Führungskräften angesichts des Fachkräftemangels zu Schnappatmung führen müsste. Bettina Billerbeck sagte deutlich: Führungskräfte haben Nachholbedarf – sie wissen zu wenig über die Wechseljahre und wie sie mit ihren Mitarbeiterinnen darüber sprechen können. Sie warnte aber auch: „Ich würde keiner Führungskraft empfehlen, Mitarbeiterinnen direkt zu fragen: Bist Du in den Wechseljahren?“
Dabei sollten wir mehr sprechen. In den Medien, in den Arztpraxen und in den Unternehmen. Mit Betroffenen und mit Menschen, denen die Wechseljahre (noch) ganz fern sind. Anke Sinningen erzählte, dass sie in der Regel in Unternehmen auf Initiative betroffener Frauen eingeladen wird. Erst in weiteren Runden trauen sich auch Männer und Personalverantwortliche hinzu. Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen. Noch sind es häufig Gesundheitswochen oder Frauenbeauftragte, die uns anfragen und die sich das Budget selbst für einen kurzen Vortrag noch erkämpfen müssen.
Henne oder Ei
Es war klar: Wir haben viele Baustellen und noch viel zu tun. Aber in welcher Reihenfolge? Reden wir freier über die Wechseljahre und ihre Begleiterscheinungen, wenn wir als Gesellschaft gelernt haben, offen mit dem Thema umzugehen. Oder müssen wir, um zu lernen, offen mit den Wechseljahren umzugehen, frei darüber reden? Es scheint also eine klassische Henne-oder-Ei-Frage zu sein. Miriam Stein brachte es auf den Punkt: „Wir müssen die Hennen sein und gackern. Wenn wir auf das Ei warten, wird das nie etwas.“
(Das Original dieses Textes erschien zunächst auf https://palais-fluxx.de/?s=britta+scholten und wurde für Frau im Wechsel leicht verändert)