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Ich kenn‘ mich nicht mehr wieder!

Sylvia, 46, ist Teamleiterin im Verkauf. Sie ist energisch, offen und geht Konflikten nicht aus dem Weg. Im letzten Monatsgespräch schockt sie allerdings sich und ihre Chefin, als sie bei einer leichten Kritik an ihren Zahlen in Tränen ausbricht.

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay

In der Beratung sagt sie: „Ich kenn‘ mich nicht mehr wieder. Ständig bin ich gereizt, könnte bei der kleinsten Gelegenheit aus der Haut fahren oder in Tränen ausbrechen. Können das schon die Wechseljahre sein? Meine Periode habe ich ja noch.“

Wissen ist Mangelware

Sylvias Frage ist typisch. Gerade Frauen, die ihre Periode noch haben, kommen nicht darauf, dass Symptome wie Gereiztheit und Stimmungsschwankungen bereits mit den Wechseljahren zu tun haben. Leider fehlen den meisten Frauen die Informationen über Symptome und Verlauf der Wechseljahre. Und auch in der Haus- oder Frauenarzt-Praxis wird leicht zum Rezeptblock gegriffen und Schlafmittel oder Antidepressiva verschrieben. Gerade bei erfolgreichen Frauen wie Sylvia steht auch schnell der Verdacht des Burnouts im Raum.

Ich gehe mit Sylvia meinen Anamese-Bogen durch: Informationen wie Alter und Lebensumstände sind genauso wichtig, wie ihre Beschwerden. Auch die Frage, ob sie ähnliche Symptome schon früher einmal hatte, ist wichtig. Sylvia fällt bei dem Gespräch auf, dass sie zwar ihre Periode noch hat, dass sich der Zyklus aber tatsächlich verkürzt hat. Ein weiteres Zeichen dafür, dass sie sich in der Prä-Menopause befindet.

Wissen bringt Klarheit

Wir gehen gemeinsam das Zusammenspiel der Hormone im Zyklus durch und ich erkläre Sylvia, dass es zu Beginn der Wechseljahre häufiger zu Zyklen ohne Eisprünge kommen kann. Ohne eine Eisprung gibt es auch keinen Gelbkörper, der in das Hormon Progesteron umgewandelt wird. Bei dem Punkt grinst Sylvia: „Wenn ich mir das jetzt so anschaue, dann muss ich sagen, dass ich mich doch so kenne. Ich hatte eigentlich immer zwei, drei Tage mit PMS zu tun und konnte meine schlechte Laune nur durch Unmengen von Schokolade eindämmen. Das ist aber wahrscheinlich nicht die beste Lösung für die Prä-Menopause, oder?“

Ist es natürlich nicht. Stattdessen besprechen wir einige andere Möglichkeiten, ohne den Einsatz von Hormonen mit den Stimmungsschwankungen und der Gereiztheit umzugehen. Sylvia entspannt sich sichtlich. „Jetzt, wo ich diese Gefühlsachterbahn besser einordnen kann, habe ich auch schon ein paar Ideen.“ Sie will erst einmal mit sanften Mitteln, vor allem Aromaölen und Kräutertees, arbeiten. Daneben stehen weitere Veränderungen an. „Ich liebäugle sowieso schon lange mit einer Ausbildung zur Trauerbegleiterin, müsste dazu aber meine Arbeitszeit reduzieren. Aber ob das so eine gute Idee ist …?“ Wir vereinbaren einen weiteren Termin, in dem wir uns mit dieser Frage beschäftigen werden.