Hormone – ja, nein, oder doch?

Marija, 50, kommt besorgt zur Beratung. „Ich habe einen Podcast gehört, in dem eine Autorin zum Thema Wechseljahre interviewt wurde. Das war sehr spannend, hat mir aber Angst gemacht. Bekomme ich wirklich Osteoporose, wenn ich keine Hormone nehme?“

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Schwarz-Weiß-Denken verunsichert

Viele Frauen, die zur Wechseljahres-Beratung kommen, sind verunsichert. Sie können manchmal nicht mehr schlafen, leiden unter Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen und sind sich bei anderen Symptomen nicht sicher, ob sie mit den Wechseljahren zusammenhängen. Sie erhoffen sich von der Beratung mehr Informationen, als sie in den kurzen Gesprächen in der der Gynäkologie-Praxis bekommen. Möchten wissen, ob die Fakten in dem kurzen Artikel in der Frauenzeitschrift – oder eben in dem Podcast – stimmen. Brauchen Klarheit, um all die Empfehlungen auf ihre persönliche Situation übertragen zu können.

Marija und ich klären zunächst ihr Ziel für die Beratung. Geht es ihr vorrangig um Informationen und Aufklärung oder möchte sie eine Beratung für ihre konkrete Situation. Marija geht es eigentlich gut. Sie berichtet von leichten Hitzewallungen, die sie aber gut „wegfächeln“ kann, wie sie es nennt. Ansonsten bemerkt sie keine weiteren Symptome. „Jedenfalls nichts, was ich als Wechseljahres-Beschwerden einordnen würde. Klar, ich bin nicht mehr 20. Da zwickt es hier und dort und nicht alles fällt so leicht wie früher.“

Sorgen macht Marija tatsächlich nur die Osteoporose-Frage. Ihre Mutter hatte bereits vor sechse Jahren mit 72 den ersten Ermüdungsbruch. Daraufhin hatte Marija ihre eigene Knochendichte messen lassen, obwohl ihre Ärztin das für nicht nötig hielt. Das Ergebnis war im grünen Bereich. Sie achtet seitdem noch mehr als zuvor auf ihre Ernährung und versucht viel Vitamin D und Kalzium zu sich zu nehmen. Ernährungsergänzungsmittel lehnt sie ab. Daher hat sie auch zu Hormonen eine eher skeptische Haltung – und ist nun verunsichert.

Grautönen machen das Leben bunt

Ich zeige Marija das Spektrum beim Thema Hormontherapie auf. Kurz gesagt: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die alle möglichen schlimmen Erkrankungen an die Wand malen, wenn Frauen den Östrogenabfall in den Wechseljahren nicht durch bioidentische Hormone ausgleichen. Auf der anderen Seite diejenigen, die Hormone generell verteufeln. Und dazwischen gibt es viele Grautöne, Nachteile und Vorteile.

Damit Marija eine fundierte Entscheidung für ihre eigene Situation treffen kann, gehen wir auch noch genauer auf das Thema Osteoporose ein. Marija ist ja schon recht gut informiert. Mir wird allerdings schnell klar, dass sie sich schwer damit tut, Risiken zu interpretieren. Was in Zeitschriften oder im Internet reißerisch mit Schlagzeilen wie „Dreimal mehr Knochenbrüche“ oder „x% Frauen über X Jahren haben Osteoporose“ veröffentlicht wird, muss genauer angeschaut werden. Wir besprechen, was Prozentzahlen bei der Risikoangabe für die individuelle Situation bedeuten. Wie man Ursache und Wirkungen sauber auseinanderhalten muss. Zusätzlich kläre ich sie darüber auf, welche Wirkung der Abfall des Östrogens auf die Knochenzellen hat. Wir überprüfen, ob ich noch einen Vorsorge-Tipp für sie habe, den sie noch nicht kennt. Ich muss mich fast geschlagen geben – Marija ist wirklich gut informiert. Aber ihr fällt auf, dass sie zwar weiß, wie wichtig Balance-Übungen zur Vorbeugung sind, sie aber nicht regelmäßig macht.

Grünes Licht für die Entscheidung

Am Ende des Gesprächs sind die Sorgenfalten verschwunden. „Ich sehe das Thema Hormone jetzt ein wenig entspannter und würde meine Freundinnen nicht mehr für verrückt erklären, wenn sie Hormone nehmen.“ Für sich selbst trifft sie allerdings eine andere Entscheidung: „Ich fühle mich nicht in Balance, wenn ich etwas einnehme. Egal, ob es Vitamin C, eine Kopfschmerztablette oder eben Hormone sind. Aber ich werde noch intensiver darauf achten, in Balance zu bleiben.“ Eine gute Idee hat sie bereits: Das Wackelbrett, das inzwischen nur noch in der Ecke rumliegt, wird sie wieder ins Badezimmer stellen und sich beim Zähneputzen drauf stellen.