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Wechseljahre und Beratung – ein gutes Gespann

Ich traf einen ehemaligen Chef von mir. Wir tauschten uns darüber aus, was sich inzwischen in unserem Leben verändert hat und natürlich berichtete ich über meinen neuen Schwerpunkt. “Wechseljahresberatung? So was gibt’s?”, fragte er und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. So geht es vielen: Wechseljahre sind häufig noch etwas, was entweder gar nicht erwähnt wird oder worüber schlechte Witze gerissen werden. In der Gesellschaft existiert meistens nur das Bild der Frau mit Hitzewallungen. Vielleicht kennt man noch die Werbung für Inkontinenzprodukte oder Vaginalcremes. Aber sonst? Genau in diese Wissens- und Beratungslücke springen wir Wechseljahresberaterinnen. Und wir sehen mit Begeisterung, dass immer mehr Frauen offen über die Wechseljahre und ihre manchmal sehr anstrengenden Begleiterscheinungen sprechen.

Frühzeitige Beratung hilft

In zwei oder drei Jahren wird auch mein Chef vielleicht froh darüber sein, dass er über den Beruf der Wechseljahresberaterin Bescheid weiß: seine Frau steht mit Anfang 40 kurz vor dieser spannenden und oftmals herausforderden Zeit. Gerade zu Beginn der Wechseljahre rennen Frauen häufig von einer Ärztin zum nächsten Arzt. Von der Kardiologin zum Orthopäden. Haben immer häufiger neue Symptome, die sie noch gar nicht mit den Wechseljahren in Verbindung bringen. Können nicht mehr gut schlafen, sind gereizt oder leiden unter Stimmungsschwankungen. Und oftmals erkennen weder sie noch die Ärzt:innen die Ursache hinter diesen Symptomen. Denn: “Wechseljahre? Dafür sind Sie doch noch viel zu jung!”.

Diesen Spruch hörte eine Klientin von ihrem Gynäkologen. Sie hatte zaghaft gefragt, ob ihre Symptome vielleicht mit den Wechseljahren zu tun hätten. Bei einer Wechseljahresberaterin wäre sie mit dieser Frage wahrscheinlich besser aufgehoben gewesen. Zumindest hätte sie in ihrem Alter (46) eine ausführliche Beratung bekommen. Genau das können Wechseljahresberaterinnen: Sie schließen die Lücke, die durch wenig Zeit (und manchmal auch wenig Wissen) in der gynäkologischen Praxis entsteht. Sie nehmen sich mit der Klientin die Zeit für ein ausführliches Gespräch über das, was in den Wechseljahren passiert und welche Symptome die Klientin individuell belasten. Dieses Gespräch kann einmalig sein, viele Frauen profitieren aber auch davon, sich in den verschiedenen Phasen der Wechseljahre beraten zu lassen.

Viele Wege führen nach Rom – und durch die Wechseljahre

Bei einer Wechseljahresberatung gehört die Aufklärung über mögliche Behandlungsmethoden genauso zum Beratungsrepertoire wie die Unterstützung bei der Auswahl der passenden Methode. Gut ist es, wenn die Beraterin selbst verschiedene Ansätze anbieten kann oder mit anderen Beraterinnen zusammenarbeitet. Das ist der Vorteil der BAG Frau im Wechsel. Wir haben verschiedene Hintergründe und Schwerpunkte. So kann jede Klientin die für sie passende Beraterin finden: Ist die Frau daran interessiert, ihre Symptome durch eine Ernährungsumstellung zu lindern, passt eine Wechseljahresberaterin mit dem Schwerpunkt Ernährung besonders gut. Andere Frauen sind eher an einer psychologischen Beratung interessiert, um mit den Veränderungen zurechtzukommen oder wollen sich mit Naturheilkunde beschäftigen. Gerade die Vielfalt in unserer BAG sorgt dafür, dass wir dogmenfrei beraten können. Und keine Frau wird von uns hören: „Wechseljahre? Dafür sind Sie doch noch viel zu jung!“.

Wenig Zeit und wenig Schlaf

Ute Rademann berichtet aus ihrer Praxis:

Katharina, 47, kam zu mir in die Beratung mit dem Thema Schlafstörungen. Sie beschrieb mir ihr Alltagsleben und was sie zur Schlafförderung tut. Sie hat einen fordernden Beruf und nebenbei noch viele Tätigkeiten und wenig Zeit für sich.

Wir besprachen verschiedene Ansätze:

Schlafstörungen durch Abschalten abschalten:
  • regelmäßig etwas für sich tun und freie Zeiten für sich nutzen.
    Ich schlug Katharina vor, sich eine Liste mit entspannenden Aktivitäten zu erstellen. Damit muss sie nicht erst überlegen, was ihr gut tun würde, wenn sie einmal Zeit hat, sondern kann auf die Liste zurückgreifen.
  • die Arbeit längere Zeit vor dem Ins-Bett-gehen beenden
  • ein Einschlafritual pflegen,
  • warmes Bad oder Wechselbäder (Beine knieabwärts mit kaltem Wasser abduschen, nicht abtrocknen – ins Bett – wird warm!)
Hilfreiche Ernährung und Getränke bei Schlafstörungen
  • Salbeitee trinken
  • Abendessen – leicht verdaulich
  • warme Milch mit Honig
  • Tee aus Lavendel, Hopfen, Baldrian, Johanniskraut, Hafer
Am Tag bereits für den Schlaf sorgen
  • am Tag öfter pausen einlegen, ruhen, meditieren, lesen
  • Aufregung vermeiden
  • Abendspaziergang mit Freundin
  • frische Luft

Da Katharina beruflich und privat sehr eingespannt ist, hatte sie Schwierigkeiten mit Vorschlägen, die in Richtung Entspannung und Aufregung vermeiden gehen. Daher überlegten wir noch weitere Aspekte:

Mit einem Tagebuch dem Schlaf auf die Spur kommen

Zunächst sollte sie über 4 Wochen ein Schlaftagebuch führen, um zu erkennen, was ihrer Schlafqualität zu- bzw. abträglich ist. Damit kann sie besser erkennen, was bei ihr wirklich zu einer Verbesserung des Schlafs führt.

Zwei ganz pragmatische Tipps gab ich ihr noch mit:

  • quälende Gedanken in der Nacht sind sehr schlafraubend. Sie können aber gebannt und auf den nächsten Tag verschoben werden, wenn man sie aufschreibt.
  • Der Schlaf kommt erst recht nicht, wenn man unbedingt einschlafen möchte. Daher empfahl ich Kathatrin, dass sie sich die Frage stellt: Was kann ich Schönes in Schlafpausen machen?

Nach ca. 4 Wochen haben wir noch einmal miteinander gesprochen. Katharinas Fazit war:

Das Schlaftagebuch hatte es ihr gezeigt: Wenn sie etwas für sich tut, bewusst abschaltet, kann sie besser schlafen. Wir besprachen daher im zweiten Termin, wie sie Routinen aufbauen kann, trotz ihres anstrengenden Alltags für Entspannung zu sorgen.

Ein haariges Problem

Claudia kam nach einem „Wechseljahres-Bingoabend“ zu mir in die Beratung. Es passiert uns Beraterinnen häufig, dass Frauen nach Informationsvorträgen oder „Weiberabenden“ die Lichter aufgehen. Eine häufige Reaktion ist ein erstauntes: „Ach, das kann auch von den Wechseljahren kommen?“. Kein Wunder. Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen sind den meisten bekannt, viele andere Symptome jedoch nicht. So auch das Thema Haarausfall.

Oma im Verdacht

Auch Claudia hatte noch nicht den Zusammenhang zwischen den Wechseljahren und ihrem Haarausfall hergestellt. Sie hatte ihre Großmutter bzw. die Gene im Verdacht: „Ich kenne das noch von meiner Oma, die hatte irgendwann nur noch ein paar Flusen auf dem Kopf“, erzählte sie und dass sie besorgt sei, weil sie immer mehr Haare in der Bürste fand. Haarausfall kann in der Tat genetisch bedingt sein, aber auch viele andere Ursachen haben – Haarausfall ist in der Regel ein Symptom und keine eigenständige Erkrankung. Vom hormonell bedingten Haarausfall sind ca. 20 bis 30% der Frauen betroffen. Genau wie bei Männern mit Tendenz zur Glatze werden bei ihnen die Haarwurzeln durch aus dem Testosteron gebildeten Botenstoffe angegriffen. Bei Frauen tritt diese Art des Haarausfalls erst in den Wechseljahren ein, wenn sich die Östrogene zurückziehen und das Testosteron mehr Spielraum bekommt.

Wundermittel oder Wucher?

Frauen leiden meistens noch stärker als Männer unter dem Haarausfall. Claudia ging es genaus und daher hatte sie bereits viel Geld für alle möglichen Produkte ausgegeben. Auch das ist eine typische Situation in unserer Beratungspraxis: viele Frauen wissen nicht, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden sollen. In der Werbung lesen sie dann von der „nachweislichen“ Wunderwirkung eines Mittels und zücken gerne das Portemonnaie.

Dabei gilt: nicht alles, was frei verkäuflich ist, ist auch harmlos. Denn alles, was wirksam ist, kann auch Neben- und/oder Wechselwirkungen haben. Und nicht alles, was Wunder verspricht, hält die Versprechungen auch. Gerade beim Thema Haarausfall haben schon Generationen von Männern z.B. auf die Wirkung von Koffein-Shampoos gesetzt und dann doch festgestellt, dass der Haaransatz dennoch unaufhörlich weiter nach hinten wandert. Inzwischen haben die Hersteller auch Frauen als viel versprechende und zahlungswillige Zielgruppe entdeckt.

Was wirklich wirkt

Ich empfahl Claudia, eine dermatologische Praxis aufzusuchen, um die Ursache ihres Haarausfalls untersuchen zu lassen. Je nach Ursache sind unterschiedliche Behandlungen wirksam. Leidet eine Frau in den frühen Wechseljahren z.B. unter starken Blutungen, liegt ein Eisenmangel nahe. In diesem Fall hilft eine Ernährung mit eisenhaltigen Nahrungsmitteln oder eine vorübergehende Einnahme von Eisenpräparaten wesentlich besser als das berühmte Koffein-Shampoo.

Claudia und ich gingen noch weitere typische Ursachen für Haarausfall durch und konnten vieles davon ausschließen: sie hatte keinen Infekt in den letzten Monaten, auch schätzte sie ihr Stresslevel als recht gering ein. Sie gab zwar zu, dass sie gerne mal zu einem Fertiggericht greifen würde, ernährte sich aber grundsätzlich recht ausgewogen und gesund. Nach diesen Informationen und im Zusammenhang mit den „Flusen“ ihrer Oma, sprach viel dafür, dass Claudia tatsächlich unter einem hormonell bedingten Haarausfall leidet. Bei dieser Art des Haarausfalls hilft Minoxidil. Das ist ein Mittel, das ursprünglich gegen Bluthochdruck entwickelt wurde – damit ist auch klar, dass es auch nicht bedenkenlos angewandt werden sollte, weil Nebenwirkungen auftreten können. Claudia wollte sich daher erst bei ihrer Hautärztin untersuchen lassen. Für die Wartezeit empfahl ich ihr ein erprobtes Hausmittel: eine Mischung aus gleichen Teilen von Bockshornklee, Zinnkraut und Brennnessel. Drei Tassen täglich sollen genauso das Haarwachstum anregen wie die Verwendung des Suds als Spülung.

Was will ich nicht sehen?

Daniela, 52, kam zu mir, weil sie „sich etwa Gutes tun wollte“. Wie bei vielen Frauen in ihrem Alter hatte sie gleich mehrere Themen: Die eigenen Wechseljahre, die bei ihr körperlich ohne große Symptome verliefen, die emotionale Aufregung mit ihrer Tochter, die gerade das Studium abgebrochen hat und wieder ins Elternhaus gezogen ist, Stress im Job mit vielen Veränderungen und dann auch noch die Eltern, die zunehmend mehr Unterstützung brauchen. Daniela wollte das alles sortieren und einen Weg finden, genügend auf sich achten zu können, ohne die Ansprüche der anderen komplett zu ignorieren.

Wer fährt alles mit?

In unserem ersten Termin erstellten wir das „Anspruchskarussell“, eine Methode, um alle Ansprüche, die von außen und auch aus dem eigenen Inneren kommen, deutlich zu machen. Einmal angeschubst, schrieb Danielae immer mehr äußere Ansprüche auf das Karussell. Neben Tochter, Job und Eltern standen dort schnell Freundinnen, die mit ihr das Wellnesswochenende planen wollten, ihre ehrenamtlichen Aufgaben und ihr Mann, der auch Zeit für sich beanspruchte. Als sie kurz ins Stocken kam, fragte ich: „Und welche Ansprüche stellst Du selbst an Dich?“. Daniela schaute mich kurz irritiert an. Dann nahm sie den Stift und fragte mich: „Muss alles auf einen Zettel passen?“. Schnell hatte sie notiert: „Gut aussehen“, „beliebt sein“, „als Mutter nicht versagen“ und noch ein paar andere.

Seele und Körper

Während wir das Anspruchskarussell füllten, fiel mir auf, dass Daniela sehr häufig blinzelte und sich ab und zu auch die Augen rieb. Darauf angesprochen sagte sie: „Das wird auch immer schlimmer. Früher ging das mit der Klimaanlage im Büro, aber inzwischen hatte ich dreimal eine Bindehautentzündung. Also trage ich meine Kontaktlinsen nur noch in der Freizeit. Aber auch nachts ist das schlimm, es ziept und fühlt sich wie Schleifpapier an. Wird wohl das Alter sein.“

Trockene Schleimhäute

Werden vielleicht auch eher die Wechseljahre sein. Trockene Schleimhäute sind dann für viele Frauen ein Thema. Und während viele wissen, dass dadurch Vagina und Vulva trocken werden können, ist den wenigsten bewusst, dass nicht nur die Schleimhäute im Genitalbereich trockener werden können, wenn sich das Östrogen aus dem fein tarierten Hormonzusammenspiel zurückzieht. Unser Körper kleidet auch andere Ecken mit Schleimhäuten aus: Augen, Nase, Ohren, Bronchien, Magen, Darm, Harnorgane und noch ein paar weitere Ecken. All diese Schleimhäute können dieselbe Dürre durchleben. Einst glatte, feste und geschmeidige Oberflächen verändern sich, werden dünn, unelastisch und trocken. Es ist daher nicht ungewöhnlich, wenn wir auf einmal die Kontaktlinsen nicht mehr vertragen, unsere Nase gereizt ist oder es aus den Ohren krümelt.

Was hilft?

Image by Silvia from Pixabay

Mit Daniela klärte ich ab, ob es noch weitere Ursachen bei ihr geben könnte und empfahl ihr den Besuch in einer augenärztlichen Praxis. Dann besprachen wir, wie sie ihren Augen mehr Feuchtigkeit zuführen kann, z.B. welche Tees als Umschläge geeignet sind oder wie Schüßlersalze helfen können. Und wir kamen zurück zum Anspruchskarussell, denn der Stress durch die vielen Ansprüche kann auch eine Rolle dabei spielen, wenn Augen gereizt reagieren. Ein schönes Beispiel, wie sich in der Wechseljahresberatung körperliche, psychische und seelische Themen vereinen können.

Daniela nahm ein paar Hausaufgaben mit. Sie wollte überlegen, welche Ansprüche sie herunterschrauben könnte. Und dabei die Augen mit einem Umschlag aus kaltem Ringelblumentee verwöhnen.

Hormone – ja, nein, oder doch?

Marija, 50, kommt besorgt zur Beratung. „Ich habe einen Podcast gehört, in dem eine Autorin zum Thema Wechseljahre interviewt wurde. Das war sehr spannend, hat mir aber Angst gemacht. Bekomme ich wirklich Osteoporose, wenn ich keine Hormone nehme?“

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Schwarz-Weiß-Denken verunsichert

Viele Frauen, die zur Wechseljahres-Beratung kommen, sind verunsichert. Sie können manchmal nicht mehr schlafen, leiden unter Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen und sind sich bei anderen Symptomen nicht sicher, ob sie mit den Wechseljahren zusammenhängen. Sie erhoffen sich von der Beratung mehr Informationen, als sie in den kurzen Gesprächen in der der Gynäkologie-Praxis bekommen. Möchten wissen, ob die Fakten in dem kurzen Artikel in der Frauenzeitschrift – oder eben in dem Podcast – stimmen. Brauchen Klarheit, um all die Empfehlungen auf ihre persönliche Situation übertragen zu können.

Marija und ich klären zunächst ihr Ziel für die Beratung. Geht es ihr vorrangig um Informationen und Aufklärung oder möchte sie eine Beratung für ihre konkrete Situation. Marija geht es eigentlich gut. Sie berichtet von leichten Hitzewallungen, die sie aber gut „wegfächeln“ kann, wie sie es nennt. Ansonsten bemerkt sie keine weiteren Symptome. „Jedenfalls nichts, was ich als Wechseljahres-Beschwerden einordnen würde. Klar, ich bin nicht mehr 20. Da zwickt es hier und dort und nicht alles fällt so leicht wie früher.“

Sorgen macht Marija tatsächlich nur die Osteoporose-Frage. Ihre Mutter hatte bereits vor sechse Jahren mit 72 den ersten Ermüdungsbruch. Daraufhin hatte Marija ihre eigene Knochendichte messen lassen, obwohl ihre Ärztin das für nicht nötig hielt. Das Ergebnis war im grünen Bereich. Sie achtet seitdem noch mehr als zuvor auf ihre Ernährung und versucht viel Vitamin D und Kalzium zu sich zu nehmen. Ernährungsergänzungsmittel lehnt sie ab. Daher hat sie auch zu Hormonen eine eher skeptische Haltung – und ist nun verunsichert.

Grautönen machen das Leben bunt

Ich zeige Marija das Spektrum beim Thema Hormontherapie auf. Kurz gesagt: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die alle möglichen schlimmen Erkrankungen an die Wand malen, wenn Frauen den Östrogenabfall in den Wechseljahren nicht durch bioidentische Hormone ausgleichen. Auf der anderen Seite diejenigen, die Hormone generell verteufeln. Und dazwischen gibt es viele Grautöne, Nachteile und Vorteile.

Damit Marija eine fundierte Entscheidung für ihre eigene Situation treffen kann, gehen wir auch noch genauer auf das Thema Osteoporose ein. Marija ist ja schon recht gut informiert. Mir wird allerdings schnell klar, dass sie sich schwer damit tut, Risiken zu interpretieren. Was in Zeitschriften oder im Internet reißerisch mit Schlagzeilen wie „Dreimal mehr Knochenbrüche“ oder „x% Frauen über X Jahren haben Osteoporose“ veröffentlicht wird, muss genauer angeschaut werden. Wir besprechen, was Prozentzahlen bei der Risikoangabe für die individuelle Situation bedeuten. Wie man Ursache und Wirkungen sauber auseinanderhalten muss. Zusätzlich kläre ich sie darüber auf, welche Wirkung der Abfall des Östrogens auf die Knochenzellen hat. Wir überprüfen, ob ich noch einen Vorsorge-Tipp für sie habe, den sie noch nicht kennt. Ich muss mich fast geschlagen geben – Marija ist wirklich gut informiert. Aber ihr fällt auf, dass sie zwar weiß, wie wichtig Balance-Übungen zur Vorbeugung sind, sie aber nicht regelmäßig macht.

Grünes Licht für die Entscheidung

Am Ende des Gesprächs sind die Sorgenfalten verschwunden. „Ich sehe das Thema Hormone jetzt ein wenig entspannter und würde meine Freundinnen nicht mehr für verrückt erklären, wenn sie Hormone nehmen.“ Für sich selbst trifft sie allerdings eine andere Entscheidung: „Ich fühle mich nicht in Balance, wenn ich etwas einnehme. Egal, ob es Vitamin C, eine Kopfschmerztablette oder eben Hormone sind. Aber ich werde noch intensiver darauf achten, in Balance zu bleiben.“ Eine gute Idee hat sie bereits: Das Wackelbrett, das inzwischen nur noch in der Ecke rumliegt, wird sie wieder ins Badezimmer stellen und sich beim Zähneputzen drauf stellen.

Ich kenn‘ mich nicht mehr wieder!

Sylvia, 46, ist Teamleiterin im Verkauf. Sie ist energisch, offen und geht Konflikten nicht aus dem Weg. Im letzten Monatsgespräch schockt sie allerdings sich und ihre Chefin, als sie bei einer leichten Kritik an ihren Zahlen in Tränen ausbricht.

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay

In der Beratung sagt sie: „Ich kenn‘ mich nicht mehr wieder. Ständig bin ich gereizt, könnte bei der kleinsten Gelegenheit aus der Haut fahren oder in Tränen ausbrechen. Können das schon die Wechseljahre sein? Meine Periode habe ich ja noch.“

Wissen ist Mangelware

Sylvias Frage ist typisch. Gerade Frauen, die ihre Periode noch haben, kommen nicht darauf, dass Symptome wie Gereiztheit und Stimmungsschwankungen bereits mit den Wechseljahren zu tun haben. Leider fehlen den meisten Frauen die Informationen über Symptome und Verlauf der Wechseljahre. Und auch in der Haus- oder Frauenarzt-Praxis wird leicht zum Rezeptblock gegriffen und Schlafmittel oder Antidepressiva verschrieben. Gerade bei erfolgreichen Frauen wie Sylvia steht auch schnell der Verdacht des Burnouts im Raum.

Ich gehe mit Sylvia meinen Anamese-Bogen durch: Informationen wie Alter und Lebensumstände sind genauso wichtig, wie ihre Beschwerden. Auch die Frage, ob sie ähnliche Symptome schon früher einmal hatte, ist wichtig. Sylvia fällt bei dem Gespräch auf, dass sie zwar ihre Periode noch hat, dass sich der Zyklus aber tatsächlich verkürzt hat. Ein weiteres Zeichen dafür, dass sie sich in der Prä-Menopause befindet.

Wissen bringt Klarheit

Wir gehen gemeinsam das Zusammenspiel der Hormone im Zyklus durch und ich erkläre Sylvia, dass es zu Beginn der Wechseljahre häufiger zu Zyklen ohne Eisprünge kommen kann. Ohne eine Eisprung gibt es auch keinen Gelbkörper, der in das Hormon Progesteron umgewandelt wird. Bei dem Punkt grinst Sylvia: „Wenn ich mir das jetzt so anschaue, dann muss ich sagen, dass ich mich doch so kenne. Ich hatte eigentlich immer zwei, drei Tage mit PMS zu tun und konnte meine schlechte Laune nur durch Unmengen von Schokolade eindämmen. Das ist aber wahrscheinlich nicht die beste Lösung für die Prä-Menopause, oder?“

Ist es natürlich nicht. Stattdessen besprechen wir einige andere Möglichkeiten, ohne den Einsatz von Hormonen mit den Stimmungsschwankungen und der Gereiztheit umzugehen. Sylvia entspannt sich sichtlich. „Jetzt, wo ich diese Gefühlsachterbahn besser einordnen kann, habe ich auch schon ein paar Ideen.“ Sie will erst einmal mit sanften Mitteln, vor allem Aromaölen und Kräutertees, arbeiten. Daneben stehen weitere Veränderungen an. „Ich liebäugle sowieso schon lange mit einer Ausbildung zur Trauerbegleiterin, müsste dazu aber meine Arbeitszeit reduzieren. Aber ob das so eine gute Idee ist …?“ Wir vereinbaren einen weiteren Termin, in dem wir uns mit dieser Frage beschäftigen werden.

Mit mehr Wissen besser durch die Wechseljahre

„Warum wissen wir so wenig über die Wechseljahre?“

Anke ist fassungslos. Sie ist 45, leidet u.a. unter Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Schlaflosigkeit. Als sie bei ihrer Frauenärztin zaghaft fragt, ob das vielleicht schon die Wechseljahre sein könnten, bekommt sie eine harsche Abfuhr: „Quatsch. Dafür sind Sie noch zu jung!“.

Ist sie wirklich zu jung für die Wechseljahre? Durchschnittlich tritt die Menopause, die letzte Regelblutung, Anfang 50 ein. Das heißt aber nicht, dass man mit 45 Jahren „zu jung“ für die Wechseljahre ist, denn die Wechseljahre halten sich nicht an ärztliche Standards. Durchschnittlich heißt: Für jede Frau, bei der die Menopause erst mit Mitte 50 oder später eintritt, gibt es Frauen, bei denen das bereits in den 40ern der Fall ist. Allein aus diesem Grund ist die Antwort von Ankes Frauenärztin unsinnig. Zudem beginnt der Körper bereits Jahre vor der Menopause damit, die Hormonlage langsam umzustellen. Damit kann es bereits Anfang 40 zu den ersten Symptomen der Wechseljahre kommen – häufig sind das genau die drei Beschwerden, die Anke plagen. Auch wichtig zu wissen: In Ausnahmefällen können bereits Frauen unter 40 unter vorzeitigen Wechseljahren leiden, der so genannten prematuren Menopause. Entweder, weil ihr Körper das so geplant hat – was häufig in der Familie liegt, also wahrscheinlich genetisch bedingt ist. Oder, weil es medizinische Gründe gibt, z.B. starkes Untergewicht oder das operative Entfernen der Eierstöcke.

Fazit: Sind Frauen über 40 auf einmal mit dem Gefühl „Ich kenne mich gar nicht mehr“ konfrontiert oder haben körperliche Beschwerden, die sie vorher so nicht kannten, ist es wahrscheinlich, dass sich die Wechseljahre anbahnen. Vor allem, wenn auch noch der Zyklus aus dem Takt geraten ist, also kürzer, länger oder unregelmäßiger ist. Die meisten Frauenärzt:innen sind erfreulicherweise besser informiert als die von Anke. Häufig haben sie aber (zu) wenig Zeit, sich ausführlich mit der Frau und ihrer Situation auseinanderzusetzen und alle Fragen zu beantworten.

Wie erfahre ich mehr über die Wechseljahre?

Früher lebten wir enger im Familien- und Nachbarschaftsbund und bei der gemeinsamen Wäsche oder dem Einwecken der Obsternte ließen sich leicht Gespräche über Beschwerden führen und Tipps austauschen. Dann verschwand das Thema aus der Öffentlichkeit, viele Frauen sprachen noch nicht mal mit guten Freundinnen über ihre Hitzewallungen oder nächtliches Herzrasen. Seit einigen Jahren ändert sich das erfreulicherweise, so dass inzwischen jede Buchhandlung mindestens drei Bücher über die Wechseljahre im Regal stehen hat und die Anzahl der online-Foren und Apps explodiert geradzu. Damit gibt es ein neues Problem für die Frauen: Statt zu wenig Informationen zu bekommen, geht es jetzt um die Frage: „Wem soll ich glauben?“

Anke ist eine Frau, die schnell handelt. Sie hat sich in mehreren Foren zum Thema Wechseljahre angemeldet, viel über mögliche Behandlungsmöglichkeiten gelesen und einiges selbst ausprobiert. Mit unterschiedlichem Erfolg – vom Salbeitee gegen das Schwitzen bekam sie Herzrasen, Mönchspfeffer-Tabletten halfen bei ihr gar nicht. Von einer Kollegin hatte sie dann von der Wechseljahresberatung gehört und einen „Neu in den Wechseljahren„-Termin mit mir ausgemacht.

Wechseljahresberatung: Zwischen ärztlicher Beratung und Tipps aus dem Internet

In der „Neu in den Wechseljahren“-Beratung geht es den Frauen häufig darum, einmal unbelastet über ihre Beschwerden zu sprechen und ohne Zeitdruck Fragen stellen zu können. Eine der häufigsten Fragen lautet: „Ist das (noch) normal?“ Oft hilft schon ein einfaches „Ja!“. Es entlastet, zu wissen, dass sich viele Symptome durch Veränderungen des Hormonhaushalts erklären lassen und dass sich viele Symptome auch wieder legen, wenn der Körper ein neues Gleichgewicht gefunden hat.

Ich gehe mit Anke das „Angebote der Wechseljahre„-Bild durch. In den drei Bereichen „psychisch-seelisch“, „uri-genital“ und „körperlich“ sind typische Symptome der Wechseljahre aufgelistet. Mir ist dabei eine humor- und liebevolle Sprache wichtig, denn so können die Frauen „ihre“ Beschwerden neu betrachten und besser mit ihnen umgehen. Anke macht bei fast allen Beschwerden ein Kreuz: „Kenne ich alles!“. Auf Nachfrage stellen wir dann aber fest, dass es nur einige Symptome sind, die ihr wirklich Probleme verursachen.

Anke hat sich in den letzten Monaten bereits gut informiert über das Zusammenspiel der Hormone im Zyklus und die Veränderungen, die sich in den Wechseljahren ergeben. Davor ging es ihr wie den meisten Frauen: Wir wissen, dass es die Wechseljahre gibt. Wir kennen auch die Tante, die beim Familienkaffeetrinken immer ihren Fächer herauszog. Wir haben uns heimlich schon mal beim Wutausbruch einer älteren Kollegin gefragt, ob die Hormone mit ihr durchgehen. Aber warum das alles passiert – das ist den wenigsten Frauen klar. Gerade, wenn sie mit der Pille verhütet haben, ist häufig auch wenig Wissen über den eigenen Monatszyklus vorhanden. Und dann stolpert man irgendwann eben in den Wechseljahre. „Warum wissen wir das nicht!“.

Abwarten und Teetrinken hilft. Wissen auch.

In einer norwegischen Studie hat man nachweisen können, dass eine gute Aufklärung über die körperlichen Veränderungen in den Wechseljahren dabei hilft, mit den Symptomen umzugehen. Daher hilft vielen meiner Klientinnen bereits eine einzige Beratungsstunde. Andere brauchen mehr. In diesen Fällen erarbeiten wir in weiteren Terminen gezielt Strategien für den Umgang mit bestimmten Symptomen. Einige Frauen nutzen die Beratung bei mir auch, um die Hormonsprechstunde in der frauenärztlichen Praxis vorzubereiten. Und bei manchen Frauen stehen gar nicht die körperlichen Themen im Mittelpunkt, sondern sie wollen in einem Coaching ihren eigenen Weg finden, die zweite Lebenshälfte positiv, energie- und lustvoll zu gestalten.

Erfolgsmeldung: „Ich kann wieder schlafen!“

Bei Anke stand die Schlaflosigkeit im Fokus. Da sie Schlafmittel und Hormone ausschloss, schlaffördernde Tees bei ihr nicht halfen und sie sich auch nicht vorstellen konnte, ihr Schlafzimmer in Lavendeldüfte zu tauchen, stellte ich ihr mentale Einschlaftechniken vor. Zwei Tage nach der Beratung schickt Anke mir eine E-Mail: „Der Tipp hat super funktioniert. Allein das war die Beratung „Neu in den Wechseljahren“ schon wert!“